Brunhilde Gierend
Malerei

Über meine Arbeit


Blickwinkel

Kunst vermag die Wahrnehmung zu sensibilisieren und hilft so beim Sondieren und Fokussieren auf das Wesentliche. Ein guter Teil meiner künstlerischen Arbeit besteht darin, meine Umwelt wach und aufmerksam wahrzunehmen. Was mich berührt oder bewegt versuche ich auf irgendeine Weise festzuhalten, sei es in Form einer Skizze, einer Blindzeichnung, einer Notiz oder einer Makroaufnahme. Was bleibenden Eindruck hinterlässt, dient dann als Fundus für meine Bildgestaltung.

Meine Bilder sind ein Versuch, das labile Sich-Befinden in einer instabilen Welt zu übersetzen. Dabei ist nicht die Abbildung des Sichtbaren mein Ziel. Das jeweilige Sujet dient mir als Anstoß und als Freiraum für gestalterische Form-, Farb- und Materialerkundungen.

Meine Kunst ist weitestgehend in der Abstraktion zu verorten. Sie ist und bleibt aber stets eine Reaktion auf eine konkrete Begebenheit, sei es auf etwas gegenständlich Vorgefundenes oder subjektiv Erlebtes. Gegenständliche Chiffren oder auch Geschriebenes erweitern den Resonanzraum des Bildes. Bei meiner künstlerischen Arbeit geht es mir darum, die vielen Möglichkeiten unterschiedlicher Bildsprachen so miteinander zu vernetzen und auszuloten, dass sie meiner Wahrnehmung gerecht werden.

Charakteristisch für meine Kompositionen ist der harmonische Zusammenklang gedämpfter Farben. Erdtöne  dominieren als maßgebliche Akkorde, veranschaulichen  in sinnlich adäquater Weise das Werden und Vergehen. Rhythmische Flächengliederungen  sowie komplexe Oberflächenstrukturen bringen Vielfalt zum Ausdruck, wie sie als Prinzip der Natur, wie dem Leben eingeschrieben sind. Das Gewachsene bleibt offensichtlich und materialisiert sich in die Schichtungen hinein, die je nach ihrer stofflichen Beschaffenheit das Darunterliegende verdecken oder als Relikt von Vergangenem durchscheinen lassen. Kratz- und Ritzspuren sowie andere haptische Momente, die durch den Einsatz unterschiedlicher Werkzeuge und Materialien erfolgen, deuten auf äußere Einwirkungen hin: Verletzungen wie Offenbarungen.

Der Vielzahl der möglichen Mittel begegne ich mit experimentierfreudiger Offenheit, aber auch mit sehr kritischer Distanz. Erfolgt der Malprozess anfangs spielerisch, spontan und unmittelbar emotional, entwickelt er sich im weiteren Verlauf stets zielgerichtet. Der Bildraum erfährt so bis zum Schluss seine je spezifische Übersetzung.

In meinen Bildern verbinden sich Farbe, Form, Materie, Raum und Zeit immer wieder aufs Neue und Unbestimmte. Das Zusammenspiel ist offen für Assoziationen und damit meiner Interpretation gleich. Sie kann so sein - aber auch anders.

Letztendlich kommt es auf den Blickwinkel an.


Brunhilde Gierend